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Während der NS-Zeit

Abwendung der Übernahme der Heime durch die Nationalsozialisten

Führer, Volksgemeinschaft und Ausgliederung

Der Beginn der nationalsozialistischen Ära wurde in Schweicheln erleichtert aufgenommen, weil nun "die Zeit der Liberalisierung und Verunsicherung" vorbei war (Bellingrodt). Ein anderer Geist zog in die Einrichtung ein: Zucht, Ordnung und Gehorsam als neue (alte) Erziehungsideale und ideologische Einflüsse von Volksgemeinschaft und Rassismus vermischten sich.

Das Arbeiten wurde nun als aktives Eintreten für die Volksgemeinschaft betrachtet. Die sportliche Erziehung sollte eine Grundlage für eine gesunde Volksgemeinschaft werden. Im Alltag fand eine Militarisierung statt: Morgens gab es einen Appell zum Antreten, dann ging es im Gleichschritt zur Andacht. Die Unterordnung unter einen Führer - den Erzieher - wurde verlangt. Strafmaßnahmen waren härter und rigoroser als vorher. Die Fürsorgezöglinge gehörten in den Augen der Nazis zu den auszugrenzenden Gruppen von Menschen, die zu einer gesunden Volksgemeinschaft nicht passten. Man betrachtete die Verwahrlosung eines Jugendlichen als ein biologisches Kennzeichen für vermindertes Erbgut.

Wie auch in anderen Fürsorgeheimen ließ das LJA Erbuntersuchungen durchführen, um festzustellen, welche Jugendlichen "gesundes bzw. vermindertes Erbgut" besaßen. Viele evangelische Heimträger waren in den ersten Jahren des Nationalsozialismus offen für die Nazi-Ideologie, denn sie glaubten ihre Interessen endlich wirksam vertreten. Zu Konflikten kam es, als konfessionelle Heime zwangsweise von NS-Behörden übernommen wurden. Auch die Heime in Schweicheln waren dieser Gefahr ausgesetzt: 1938 sollte der Erziehungsverein die drei Heime an die Nazis übergeben, damit diese ein Musterheim einrichten konnten.

Es kam zu langwierigen Verhandlungen, bei denen Bodelschwingh aufgrund seiner weitreichenden Kontakte eine entscheidende Rolle spielen konnte. Erst der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs setzte den Bestrebungen der Nazis ein Ende, und das Heim konnte in seiner alten Form weiterbestehen. An diesem Punkt wurde für die Heimleitung in Schweicheln besonders deutlich, dass der NS-Staat konfessionelle Einflüsse in der Erziehung der Jugend zurückdrängen wollte.

Der Aufbau nach 1945

Nach dem Krieg bemühte sich die Heimleitung - jetzt Bellingrodt jun. - ideologischen Ballast abzuwerfen und den autoritären Geist der NS-Zeit zugunsten einer individualistischen Erziehung zu überwinden. Allmählich wurden in der Pädagogik liberale Tendenzen aus den 20er Jahren aufgegriffen. Das Kind mit seinen individuellen Bedürfnissen sollte nun im Mittelpunkt des Interesses stehen.

Quellenhinweis:

Aus dem Buch "Kurzer Abriss der Geschichte der Jugendhilfe Schweicheln" von Eva-Maria Eggert,
April 1988, Archiv der Ev. Jugendhilfe Schweicheln, Hiddenhausen